Während anderswo sich langsam aber sicher die Einsicht durchsetzt (z.B. hier oder hier), dass die Zukunft der Mobilität nicht in schweren, potenten, übermotorsierten, Autos mit Verbrennungsmotor besteht, stechen in Stockach zwei Lokalpolitiker, beides alte, weiße Männer, wie einsame Leuchttürme aus dem Nebel der Spassverderber hervor.

Es handelt sich dabei um Herrn W.D.Karle, nach eigener Angabe Mitglied in allen Hindelwanger Vereinen (Warum eigentlich?), Schöffe am Landgericht, Stadtrat, Ortsvorsteher und den Lesern von oberdorfstrasse.de durchaus nicht unbekannt. Neben seinen Kompetenzen und Ämtern meldet sich Herr W.D.Karle oft und gerne mit denkwürdigen Äußerungen zu Wort, und, man hat das Gefühl, jawoll, hier spricht der Experte. Beispiel gefällig? W.D.Karle im SK vom 26.9.2020 (Ringen um die Ablachtalbahn). Zitat:

“Wer die Bahn will, bevor die Autos aus der Stadt draussen sind, produziert einen Verkehrsinfarkt.”

Man ist fassungslos! Das sind die Gedankengänge des Herrn W.D.Karle? Wo lebt Herr W.D.Karle, fagt man sich? Jeder, der in und um Stockach mit dem Auto unterwegs ist, kann bestätigen, dass der Verkehrsinfarkt nicht produziert werden muss, sondern längst da ist. Herr Karle seineszeichens Ortsvorsteher von Hindelwangen hat es bis dato nicht geschafft in einem Wohngebiet, nämlich der Oberdorfstrasse, das Verkehrsproblem auch nur wahrzunehmen (würde er dort wohnen, wäre das sicher anders). Er hat es als OV und Stadtrat nicht geschafft (oder wollte er es nicht?) den Ortschaftratsbeschluss, in dem sich eine Mehrheit von fünf zu eins Stimmen für die Beibehaltung der seit Jahrzehnten bestehende Anliegerregelung in der Oberdorfstrasse gestimmt hat durchzusetzten. Welche Geheimwaffe besitzt W.D.Karle, um den seiner Meinung nach durch eine Nord-Süd-Bahnverbindung anstehenden Verkehrsinfakrt zu verhindern? Etwa den der autogerechten Stadt, wie es dem Narrativ seiner Generation entsprechend im Gedächtnis zu haften scheint? Wie soll denn das Verkehrsproblem ihrer Meinung nach gelöst werden Herr Karle?  Durch neue Strassen, die wenn überhaupt, in Jahrzehnten erst fertig werden könnten? Glauben Sie, dass Sie das noch erleben? Schonmal auf die Idee gekommen, dass man den Menschen Alternativen anbieten muss, sofern man Sie zur Verhaltensänderung veranlassen will?

Wir helfen mal mit zwei Gedankengängen, die, so lassen es Ihre Äußerungen von oben schließen sich außerhalb ihrer Lebenswelt bewegen könnten.

Stockach, als autoverseuche Stadt, ohne Fussgängerzone, setzt sich als erste Stadt im Landkreis aktiv für die Einführung eines 365€-Tickets mit landkreisweiter Gültigkeit eine. Slogan: “Für einen Euro nach Konstanz”, oder für “Einen Euro zur Landesgartenschau” oder “Für einen Euro nach Singen”. Gleichzeitig wird das Angebot durch eine Reaktivierung der Ablachtalbahn Richtung Norden bis nach Mengen erweitert. Die Reisenden/Pendler werden nicht in ein kümmerliches Wägelchen zu rush-hour gequetscht. Geplant ist eine Direktverbindung im 20 Minutentakt von Mengen bis zum Bodensee. Als Infrastrukturprojekt für die Zukunft. Utopisch?
Warum sind Sie nicht einfach ehrlich und sagen: ich bin gegen eine Bahnverbindung, denn ich bin überzeugter Autofahrer. Ich hasse ich, es an einer Schranke, meine kostbare Lebenzeit zu vergeuden. Schienengebundener Personennahverkehr halte ich für Schwachsinn, sollen sich halt ein Auto kaufen.

Nicht viel besser sieht es mit dem zweiten alten, weißen Mann im Bunde aus. Dieser bringt es doch tatsächlich fertig sich in dem o.g. Artikel selbst zu widersprechen. Merkt er das? Zitat:

“Ich gehe nicht mit einer Bahnstrecke in die Unternehmerschaft”

und

“Wenn man in die Rolle des Bittstellers um Zuschüsse kommt, ist das kein fairer Umgang mit den Kommunen, über eine Beteiligung unter Federführung des Landes könne man aber reden.”

Die Stadt Stockach allen Bürgermeister R.Stolz sieht demnach dieses Projekt als Aufgabe des Landes. Man fordert etwas, was garnicht erfüllbar ist, denn wie der Vorsitzende des Fördervereins Ablachtalbahn zu Protokoll gibt:

“Das Land kauft keine Eisenbahnstrecken.”

Wäre es nicht ehrlicher, stattdessen offen zu sagen: Genau wie W.D.Karle lehne ich diese Bahnverbindung ab, ich setze weiterhin auf  die Postkutsche das Auto in und um Stockach (z.B. durch das aktive Durchleiten von vermeidbarem Verkehr durch Wohngebiete wie der Oberdorfstrasse) . Ich mag keine geschlossenen Schranken. Es gab und es gibt für mich keine Alternative zur Postkutsche zum Auto.

Das Land soll also zahlen, sonst geht da garnix sagt Bürgermeister Stolz sinngemäß. Er bezieht damit klar Stellung um sich dann selbst zu widersprechen, indem er auf Anfrage schreibt: er müsse sich nicht dazu äußern, wer die Strecke kaufen soll.

Ein Blick in die Stockacher Geschichte zeigt, dass die Stockacher schon damals konservativ und verbohrt waren und der festen Überzeugung nachhingen in der Postkutsche liege die Zukunft. Eben darum macht die Hauptbahnverbindung in der Region einen sauberen Bogen um Stockach herum. Mit allen Nachteilen.

Es ist absehbar wie dieses Trauerspiel weitergehen wird. Unsere Stockacher Zukunftspolitiker werden herumlaventieren à la:

  • wenn, dann muss ertmal das Land
  • wir wollen ja schon, aber erst brauchen wir blah blah
  • wir haben kein Geld dafür
  • wir wollen auch kein Geld dafür haben
  • sollen doch erstmal die anderen
  • ÖPNV, schon aber die Schranken!
  • wir bauen lieber Parkhäuser, Hochhäuser…
  • usw. usf.

Öffentlicher Verkehr ist eine öffentliche Leistung für ALLE und diese kostet Geld. Schulen kosten Geld, öffentliche Einrichtungen kosten Geld, das Gesundheitswesen kostet Geld, die Verwaltung kostet Geld, der Bürgermeister kostet Geld, der Ortsvorsteher auch. Es ist die Aufgabe des Bundes, des Landes und der Kommunen (!) diese Leistungen der Daseinsvorsorge zu erbringen. Dafür zahlen die Bürger Steuern.
Nicht dafür, dass alte weisse Männer mit ihren dicken BMWs am Pöbel vorbei durch die Landschaft fahren. Es kann ja wohl nicht angehen, dass diese bei Bahnhöfen (die sie nicht wollen), vor Schranken stehen (die sie nicht wollen), auf denen Züge vorbeifahren (die sie nicht wollen), während ihre kostbare Lebenszeit verrinnt wie Eis in der Sonne!11!!!!1!
Die Menschen, die in den Zügen sitzen werden die Durchsage hören: “Wir erreichen in Kürze Stockach, das “Tor zum Bodensee“, wir werden dort nicht halten, denn außer einer autoverseuchten Innenstadt ohne Fußgängerzone, einem leerstehenden Parkhaus und anormal vielen Supermärkten mitten in Wohngebieten, gibt es dort nichts zu sehen”.

Aber hey, werden Sie sagen, unsere Zukunftspolitiker, wir sind der Postkutschenstützpunkt in ganz Südbaden! Hurra! Das ist doch toll!


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